Reerdigung 2024 – eine klimaneutrale Alternative
Sie stellen sich folgende Fragen: Wo ist eine Reerdigung möglich ist? Wie hoch sind die Kosten einer Reerdigung. Gibt es Kritik an der Reerdigung? Auf dieser Seite versuche ich das Thema von allen Seiten zu beleuchten. Wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich gerne bei mir.
Von STEPHANIE LIERMANN, Bestatterin Berlin
Lesezeit: 5 Minuten
Inhaltsverzeichnis Reerdigungen
Was ist eine Reerdigung?
Wenn ein Mensch stirbt, gibt es bisher nur zwei Möglichkeiten der Bestattung: Die Feuerbestattung, bei der der Leichnam eingeäschert und in einer Urne beigesetzt wird oder die Erdbestattung, bei der die Verstorbenen in einem Sarg beerdigt werden.
Doch jetzt gibt es eine innovative und zukunftsweisende Bestattungsform, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Bestattungsbranche revolutionieren wird: die Reerdigung. Es handelt sich dabei um eine alternative Form der Bestattung, die ökologisch nachhaltig ist.
Während der Reerdigung wird der Körper des Verstorbenen in einen speziellen Metallsarg gelegt und mit einem Deckel verschlossen. Dieser sogenannte „Kokon“ ist gefüllt mit Heu, Stroh und Blumen. Dieses Material ist in der Lage, den natürlichen Verwesungsprozess zu beschleunigen und den Körper innerhalb kurzer Zeit vollständig zu zersetzen. Der Leichnam ruht für 40 Tage auf diesem Bett und wird dabei in fruchtbare Erde umgewandelt.
Im Verlauf dieser 40 Tage wird der „Kokon“ des Öfteren behutsam gedreht, um eine gleichmäßige Verteilung der Flüssigkeit zu ermöglichen. Gleichzeitig wird er kontinuierlich belüftet. Bei einer Reerdigung geschieht nichts Anderes als der natürliche Abbau – allerdings unter optimalsten Bedingungen und somit deutlich beschleunigt im Vergleich zur Natur.
Die so entstandene neue Muttererde kann nun auf einem Friedhof in einer frei wählbaren Grabstelle bestattet werden. Da es in Deutschland eine Bestattungspflicht gibt, ist die Beisetzung der Erde auf einem Friedhof oder in einem Friedwald vorgeschrieben. Das Grab kann daraufhin mit der neuen, nährstoffreichen Erde nach Belieben bepflanzt und gestaltet werden – ganz im Sinne des Verstorbenen oder den Wünschen der Hinterbliebenen entsprechend.
Grafik zum typischen Ablauf einer Reerdigung
Ein weiterer Vorteil der Reerdigung ist die ökologische Nachhaltigkeit. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bestattungsmethoden, die oft mit hohem Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung verbunden sind, ist die Reerdigung ressourcenschonend und klimafreundlich. Der ökologische Fußabdruck wird minimiert.
Wo ist bisher eine Reerdigung möglich?
Das nördlichste Bundesland Schleswig-Holstein bisher das einzige, welches Reerdigungen toleriert. Die Erde aus diesen Reerdigungen darf in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg beigesetzt werden.
Reerdigungen bald auch in Berlin
Doch bald wird es in Berlin auch diese Möglichkeit der Bestattung geben. Die Entscheidung dafür trifft die Berliner Senatsgesundheitsverwaltung. Sie beobachtet das Pilotprojekt zur Beisetzung in Schleswig-Holstein mit großem Interesse. In diesem neuen Verfahren werden alle geltenden Vorschriften bezüglich der Bestattungspflicht, Friedhofspflicht und Totenruhe beachtet. Auch der evangelische Friedhofsverband hat bereits seine Zustimmung gegeben.
Die „Kokons“ sollen in Kapellen platziert werden, die ungenutzt sind und auf Friedhöfen in Berlin stehen.
Durchweg positive Kritik
Laut Umfragen gibt es bei vielen Menschen das Bestreben, auch bei Bestattungen ökologischer und nachhaltiger zu werden. Diese Form wird als durchweg passend und zeitgemäß empfunden.
Auch die Reaktionen in der Branche sind äußerst positiv. Bestatter, Kirchen, Friedhofsverwaltungen und sogar Krematorien möchten die neue Art der Bestattung einführen. Denn selbst dort könnten die “Kokons” stehen.
Jeden Tag sterben 2500 Menschen in Deutschland. Es wäre ökologisch sinnvoll, wenn ihre Energien und Nährstoffe dem natürlichen Kreislauf zurückgegeben würden, anstatt weiterhin wertvolle Ressourcen zu verbrauchen.
Die Kosten einer Reerdigung
Eine Reerdigung wird in der Regel etwa 3.000 Euro kosten. Wenn es um Feuer- oder Sargbestattungen geht, beginnt der Preis normalerweise bei ungefähr 2.000 Euro – allerdings handelt es sich dabei um die preiswertesten Angebote auf dem Markt. Je nach individuellen Wünschen kann eine Feuerbestattung allerdings auch mehr als 3.000 Euro kosten.
Fazit: Die Reerdigung wird an Bedeutung gewinnen
Die Reerdigung bietet eine innovative Lösung für die Herausforderungen der Bestattungsbranche. Auch emotionale Aspekte werden angesprochen, wie zum Beispiel die Möglichkeit, den Verstorbenen in einem natürlichen Kreislauf weiterleben zu lassen.
Es wird erwartet, dass die Reerdigung in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird und einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Bestattungsbranche leistet.
5 oft gestellte Fragen zu Reerdigung
Bisher besteht nur die Möglichkeit, dass die neue Erde auf Friedhöfen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und vorerst als Testlauf in Hamburg-Ohlsdorf eingeführt wird. Mit der Zeit sollen Reerdigungen für alle Menschen deutschlandweit zugänglich gemacht werden.
Bei diesem Vorgehen wird die tote Person in eine eigens dafür entwickelte Vorrichtung -– genannt „Kokon“ – gelegt, welche mit organischen Substanzen wie Stroh und Grüngut gefüllt ist. Durch die optimalen Bedingungen innerhalb des sargähnlichen Kokons werden die natürlichen Mikroorganismen im Körper den Leichnam innerhalb von etwa 40 Tagen nahezu komplett zersetzen.
Die übrig gebliebenen Knochen werden aus der neu entstandenen Erde entnommen und fein gemahlen. Danach werden sie wieder unter die Erde gemischt. Sie werden dann unsichtbar sein.
Durch das Beimischen zur neu entstandenen Erde wird ihr Wert erheblich gesteigert: Calcium unterstützt die Entwicklung einer soliden Bodenstruktur, erhöht den pH-Wert und neutralisiert Säuren. Dadurch gewinnt es eine besondere Bedeutung für Pflanzen, die auf dieser neuen Erde gedeihen sollen.
Die Reerdigung ist eine äußerst kostengünstige Art der Bestattung. Die Ausgaben für die Reerdigung allein sind nahezu identisch mit denen einer Einäscherung allein. Somit sind Klimaschutz und Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang keineswegs überteuert.
Während einer Reerdigung wird kein Kohlenstoffdioxid freigesetzt, indem Erdgas, der Körper und der Sarg verbrannt werden. Dadurch entsteht auch kein gefährlicher Abfall wie bei den Filteranlagen in Krematorien.
Lesetipp zum Schluss
Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) hat ebenfalls einen lexenswerten Artikel über Reerdigung als Alternative zu Sarg und Verbrennung zu zusemmengestellt. Hier ist der Link zum ZDF-Artikel.
